Gedankenkrähen

Published by Laura Kier on

„Krah! Krah!“, dringt es durch die Luft. Die Schreie von unzähligen Krähen hallen in meinem Kopf wieder. Krähen, die sich festkrallen, wild durcheinander plappern und immer wieder auffliegen. Keine Chance zur Ruhe zu kommen. Aber ich muss schlafen, mich ausruhen. Ich möchte gelassener sein, nicht ständig flatternde Gedanken in meinem Kopf haben.

Verscheuchen, verjagen und weg

Vor etwas über einer Woche meinte die Schwiegermutter (in spe) meiner Schwester:

„Schnapp dir einen Besen. Damit verjagst du eine Krähe nach der anderen aus deiner Scheune. Bis auch die Letzte ausfliegt.“

Ein schönes Bild. Meinen Kopf von Gedanken leer fegen. Verscheuchen, bis ich Ruhe habe. Zum Meditieren vielleicht hilfreich. Wobei mir dort ein anderes Motiv besser gefällt. Es ist ruhiger, weniger aktiv.

Ich stehe in einem dunklen Raum. Vor mir eine lange Reihe aus Kerzen. Bei jedem Ausatmen blase ich ganz langsam und mit Bedacht eine Kerze aus. Nicht zu viel Luft, sondern gerade soviel, dass nur die eine direkt vor mir erlischt. Dann atme ich ein, gehe einen Schritt vor. Tief in meinem Inneren spüre ich, wie mich die Dunkelheit umarmt und wohlig beruhigt. So gehe ich weiter. Schritt für Schritt, Kerze für Kerze.

Zum Meditieren ein angenehmes Bild. Es beruhigt meine Gedanken, lässt mich zur Ruhe kommen. Trotzdem lauern die Krähen außerhalb der Dunkelheit und warten nur darauf, dass ich wieder ins Licht hinaustrete.

Schwarze Federn, weite Flügel

In meinem Garten hocken sie auf Bäumen und Ästen. Versteckt in Büschen. Von überall beobachten sie mich. Reden auf mich ein und wollen meine Aufmerksamkeit. Mal fesselt mich eine Krähe mit hübsch schillerndem Gefieder, dann wieder eine, die ständig vor meinen Füßen herum trappelt. Jede versucht auf ihre Art, mich zu beeindrucken. An Tagen, wo ich besonders aktiv bin und meinen Garten gestalte oder neue Ideen von meinen Reisen mitbringe, sind auch die Krähen besonders laut. Dann erzählen sie von ihren Abenteuern, wollen mehr von mir wissen und rufen ihre Freunde herbei. Manchmal bleiben alle bis spät in die Nacht. Jeder will seinen Teil zu meinen Erlebnissen beitragen.

Krähenfoto

Vielleicht eine Gedankenkrähe, die es sich auf einem Baum in meinem Garten gemütlich gemacht hat und nach ihren Artgenossen ruft

Oft fällt es mir schwer, mich von ihnen zu lösen. Sie zu ignorieren und ihr Krächzen als Echo in meinen Gedanken verhallen zu lassen. Es gibt Tage, da sind es zu viele, die durch meinen Garten schwirren.
Ja, mir macht es Spaß, sie zu beobachten, ihren Ideen und Geschichten zu lauschen. Dennoch es ist anstrengend.

Natürlich könnte ich die Krähen verscheuchen. Mir einen Besen schnappen und sie aus meinem Garten vertreiben. Doch wie lange bleiben sie fort? Fünf Minuten? Zwei Stunden? Sie kommen wieder, da besteht kein Zweifel. Selbst wenn ich sie ständig vertreibe und Vogelscheuchen aufbauen würde, wären da immer noch einzelne Krähen, die versuchen würden, in meinem Garten ein schönes Plätzchen zu ergattern. Dazu die Kraft, die mich eine solche Aktion kosten würde. Aktiver Widerstand ist immer anstrengend.

Außerdem möchte ich weiterhin von Amseln, Meisen und Spatzen besucht werden. – Nein, ich mag nicht mit dem Besen durch meinen Garten wirbeln und vollständig vertreiben will ich die Krähen auch nicht. Die eine oder andere hat mir schon äußerst interessante Ideen zugeflüstert, die ich auch in Zukunft genießen möchte. Also brauche ich eine andere Lösung.

Gemeinsam achtsam

Für mich ist klar: Ich werde meine Krähen niemals vollständig vertreiben. Sie gehören zu mir und meinem Garten dazu. Außerdem gibt es einen guten Grund, weshalb sie wiederkommen. Womöglich kann ich von ihnen noch einiges lernen. Also brauche ich eine bessere Idee, als einen Besen zu nutzen. Futter kam mir da in den Sinn. Wenn ich ihnen Wasser und eine Schale mit Sonnenblumenkernen hinstelle, könnte ich sie an eine Stelle in meinem Garten locken, wo sie mich nicht stören. Aber womöglich kommen dann noch mehr Krähen. Das ist nicht mein Ziel. Demnach heißt es: Weiter nachdenken.

Neue Ideen zu finden ist gar nicht einfach. Zunächst probiere ich naheliegende Gedanken aus, ehe ich weitere Kreise ziehe und meiner Intuition folge. Bei einer dieser Runden hat mir mein Bauch den Tipp gegeben, dass ich mit den Krähen reden könnte. Sie erzählen mir zahlreiche Geschichten, setzten mir neue Ideen in den Kopf und begleiten mich tagein, tagaus. Aber bislang habe ich nicht versucht, mit ihnen zu reden. Oft genug beobachte ich sie nur und verdränge sie, wenn sie mir zu Nahe kommen. Mit anderen kann ich mich stundenlang beschäftigen. Weshalb also nicht von meiner Seite aus Bitten äußern. Es müssen schließlich nicht ständig alle Krähen der näheren Umgebung in meinem Garten auf mich warten. Sie könnten sich abwechseln und mir ab und an etwas Ruhe schenken. Vielleicht kann ich manchen sagen, sie sollen weiterziehen und neue Abenteuer erleben. Auf jeden Fall einen Versuch wert. – Doch der Zweifel bleibt. Wenn ich Ruhe möchte, will ich keine Gespräche führen. Dann will ich für mich sein, nicht gestört werden.

Welche Möglichkeit habe ich noch?

  • Vertreiben – anstrengend, gemein und auf lange Sicht nicht hilfreich für mich.
  • Ablenken – kann funktionieren, aber auch nach hinten losgehen, zu viel Ablenkung schafft neue Gedanken und ich drehe mich weiter im Kreis
  • Ignorieren – manchmal eine Lösung, oft nicht möglich.
  • Ansprechen – denkbar. Aktiv begegnen und gemeinsam das Karussell stoppen. Aber auch hier kann es passieren, dass sich das Karussell dann nicht mehr aufhört zu drehen, weil ein interessantes Gespräch dem nächsten folgt.
  • Annehmen – vermutlich die Lösung, die am ehesten funktionieren wird.

Annehmen. Gar nicht so einfach. Ich und meine Krähen. Da sitzen wir also im Garten, beobachten uns, reden miteinander und jetzt sollen wir einander annehmen. Die Krähen müssen lernen mich und meine Wünsche zu akzeptieren, genauso wie ich ihre Anwesenheit. Ganz ehrlich? Ohne sie wäre mein Garten auch nicht derselbe. Es würde etwas fehlen. Die schwarzen Federn, die überall hervorblitzen. Das Krächzen ihrer Stimmen. Selbst wenn wir niemals beste Freunde werden, können wir einander mit Respekt begegnen. Sie sind genauso da, wie ich es bin. Es ist alles andere als einfach. Gerade wenn ich schlafen möchte und sie lieber ein Lied anstimmen. Dennoch flüstert mir ein Gefühl in meinem Inneren: “Lernt voneinander, lernt miteinander.” – Ja, ich werde es versuchen und mit ihnen neue Strategien erarbeiten, wie ich ab und an einige von ihnen auf eine Reise schicken kann, um Ruhe und Entspannung zu finden.

Wie sieht es mit dir aus?

Hast du auch ein paar Krähen, die deine Aufmerksamkeit fesseln? Wie lebst du mit ihnen? Verspürst du auch manchmal den Wunsch sie zur Ruhe zu rufen?

Neuerung

 Endlich ist es soweit. Mit diesem Beitrag stelle ich dir mein neues Theme vor.  Wie gefällt es dir?



Laura Kier

»Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!« Mit diesen Worten in Gedanken, schafft Laura Kier magische, mystische und vielleicht auch gefährliche Welten voller Abenteuer, die Lichtfunken in dein Leben tragen können. Sie lädt mit ihren Texten Leser:innen ein, den eigenen Träumen zu folgen. Neben dem Schreiben genießt sie die Natur, liebt das Leben und ist vielfältig kreativ unterwegs, wenn ihre beiden verspielten Katzen es erlauben.

4 Comments

teekay1st · 24. Juli 2016 at 09:11

Die Krähen in meinem Kopf… Das ist ein wunderbares Thema. Ich hatte vor längerer Zeit diese Krähen (tolles Bild, und so passend) bin sie aber los geworden, in dem ich immer nur noch positive Erlebnisse abrufe und mein Leben mit jedem Moment genieße. Manchmal kommen sie zurück… sie versuchen es immer wieder und dann erinnere mich an den Spruch von Buddha:

Du kannst Dir inneren Frieden
und Glückseligkeit nicht herstellen.
Sie ist deine wahre Natur.
Sie bleiben übrig,
wenn Du all das aufgibst,
was Dich leiden lässt

Mehr von diesen kleinen Weisheiten, die mir oft geholfen haben auf meinem Blog…
https://teekaysite.com/aphorismen-und-weisheiten/

Übrigens… bin durch einen Kommentar auf Deinen Blog gestoßen, bin grad am Stöbern, toller Blog! Ich folge Dir… unauffällig natürlich… ?
Schönen Sonntag ☀️☀️☀️

    Laura Kier · 24. Juli 2016 at 10:46

    Eine sehr schöne Weisheit. Die werde ich mir definitiv mehr zu Gemüte führen. Ich freue mich, dass dir mein Blog – und mein Krähenbild – gefällt. Deinen Blog werde ich mir mal genauer ansehen. Solche Sprüche mag ich. Danke für den Hinweis.
    Positive Erlebnisse abrufen und jeden Moment genießen finde ich auch sehr hilfreich. Trotzdem sind manche Krähen sehr hartnäckig. Besonders die, die mir neue Ideen in den Kopf setzen wollen. „Du könntest doch dies tun“ oder „wie wäre es mit …“. Es macht auf der einen Seite Spaß, auf der anderen kann es aber auch anstrengend sein, zu viele Projektideen zu haben.
    Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Sonntag.
    Alles Liebe
    Laura

Vanessa · 25. Juli 2016 at 18:51

Wie lustig, da wollte ich schon nach einem ersten Blick mit dem Buddhismus kommentieren, und dann ist mir jemand mit Worten des Buddha zuvorgekommen …

Das Theme gefällt mir, so sauber und elegant, auch wenn ich ein wenig die Farbe vermisse, die bisher auf deinem Blog war. Was die Krähen betrifft, ein schönes Bild. Mir gefällt das von schnatternden und herumhüpfenden Affen noch etwas besser – soweit ich mich erinnere, werden die auch oft im Zen als Sinnbild der Gedanken herangezogen, die man ja durch Meditation beruhigen will. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das etwas am Sinn des Zen vorbeigeht, aber ich habe beim Meditieren gemerkt, dass es schon gut tut, die Gedanken einfach eine Weile lang frei laufen (krähen, reden, spielen …) zu lassen. Ich glaube, sie brauchen hin und wieder Auslauf, dann benehmen sie sich wieder besser. Vielleicht geht es deinen Krähen ja ähnlich?

    Laura Kier · 25. Juli 2016 at 19:39

    Liebe Vanessa,
    zunächst: Ich freue mich, dass dir das Theme gefällt. Mir auch. Es soll noch ein anderes Banner-Bild dahin (das dann wohl auch etwas farbiger wird), aber bis ich das gemalt habe dauert das noch ein paar Wochen.

    Und jaaa Buddhismus ist ein Thema, das mich selbst im Moment ziemlich interessiert. – Das Bild der Affen ist auch schön. Für mich persönlich passen die Krähen besser, aber zum Glück darf ja jeder seine eigenen Bilder wählen.

    Deine Erfahrungen beim Meditieren teile ich. Ab und an lasse ich die Krähen einfach schnattern, um dann wieder zu mir zurückzukehren. Tut tatsächlich gut. Aber ich glaube gar nicht, dass es so sehr daran vorbei geht. Wichtig ist doch vor allem, dass wir achtsam sind und wieder zurück kommen. – Ich vermute meinen Krähen geht es da tatsächlich sehr ähnlich 😀

    Danke für deine spannenden Worte und alles Liebe dir
    Laura

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