Schreiben ist wie Skilanglauf

Published by Laura Kier on

Im Schuss bergab kann jeder. Unten ankommen werden auch alle, selbst wenn sich unterwegs ein paar Tannennadeln im Schal verfangen oder einmal mehr der Schnee gekuschelt wird. Aber Langlauf … Langlauf bedeutet Ausdauer und Geduld. Auf den kurzen Strecken bergab heißt es Kräfte sammeln für den nächsten Berganstieg und dazwischen, da kann ich dann einen Moment die verschneite Landschaft genießen. Doch was hat das mit dem Schreiben zu tun?

Rieselnde Schneeflocken

Es schneit. Meine Muse bereitet diese herrliche Schneelandschaft für mich vor. Ich kann nicht anders und möchte mich am liebsten sofort ins Abenteuer stürzen. Ein Schneespaziergang, rodeln – egal. Hauptsache austoben und Spaß haben. Hier ein Schneeengel, dort ein Iglu und am Abend stehe ich völlig erschöpft am Fenster und die schöne Schneewelt ist verschwunden. Meine Engel haben den Schnee platt gedrückt und das Iglu ist nicht im Ansatz fertig. Wild drauf los ins Schreibabenteuer stürzen kann richtig toll, aber nicht unbedingt zielführend sein. Deshalb habe ich für mich eine bessere Möglichkeit gefunden mit dem Schreiben von Romanen umzugehen: Ich schnappe mir meine Skier, packe Proviant ein und ziehe mich warm an. Außerdem plane ich ganz grob die Strecke, die ich nehmen will.

Ich und planen. Guter Witz. Schneller als mir lieb ist, sehe ich ein neues Funkeln am Horizont und folge dem Licht. Zumindest sehr oft. Beim Schreiben ist das für mich in Ordnung. So kann ich neue Wege erkunden und einfach die Landschaft genießen. Schritt für Schritt laufe ich mit meinen Ski unter den Füßen durch die Gegend und nehme die Strecke, die mir am besten gefällt. Kurz: Ich genieße jede neue Schneeflocke, die meine Muse in meine Hand fallen lässt.

Irgendwann steht aber das Wort „Ende“ unter meinem Roman und ich weiß, nun beginnt der für mich schwierige Teil: Die Überarbeitung.

Bergauf und bergab

Schluss mit treiben lassen. Wenn ich wieder nach Hause kommen möchte von meinem Skilauf, also das fertige Buch in absehbarer Zeit in den Händen halten will, brauche ich nicht nur ausreichend Ausdauer, sondern auch Geduld mit mir selbst, nun die Route zu wählen, die vielleicht holprig und anstrengend wird. Kommt eine Steigung, erklimme ich sie. Jede Rohfassung hat ihre eigenen Probleme und Schwierigkeiten. In der einen ist die Protagonistin zu schwach ausgearbeitet, sodass die Nebencharaktere ihr die Schau stehlen. Im nächsten Projekt fehlt so viel am Weltenbau, dass ich von vorne anfange, alles aufzudröseln. Bei anderen habe ich zu lange gezögert, den Rückweg anzutreten, sodass die Skier zu alt sind, um mich heute noch zu tragen. Trotzdem tue ich sie nicht weg und werde alles restaurieren und mich auf den Weg machen, auch diese Langlauftouren zu beenden.

Die Überarbeitung ist für mich die meiste Arbeit. Immer wieder stehe ich vor einem Berg und muss entscheiden, ob ich ihn erklimme oder ob es einen Weg drumherum gibt. Beides ist auf seine Art mit Mühen verbunden. Die Frage für mich ist da immer: Wo sehe ich die schönere Landschaft, sprich wovon profitiert der Text mehr? Sobald ich die Entscheidung getroffen habe, laufe ich weiter. Mal bergan, mal in der Ebene und ab und an auch bergab. Jeder Text nimmt seinen eigenen Weg. Mittlerweile habe ich für mich herausgefunden, dass ich keiner Karte folge, sondern tatsächlich mit dem Kompass im Schnee stehe und mich nach jedem Laufstück neu orientiere:

  • Brauche ich noch ein wenig Inspiration für meine Charaktere? Falls ja, fahre ich womöglich durch den Kiefernwald und sehe, ob ich ein paar Tiere beobachten kann.
  • Die Hintergründe sind nicht ausgefeilt genug und zu schwach? Na, dann erklimme ich den Hügel und betrachtete die Landschaft von oben. Mit meiner Kamera kann ich ein paar Aufnahmen machen.
  • Die Handlung ist komplett durcheinandergeraten, ich muss alles neuschreiben und überhaupt … Stopp. Es ist Zeit für eine Pause. Mit Selbstzweifeln verirre ich mich nur.

Schritt für Schritt schreibe ich mir auf, was ich an der Rohfassung anpassen möchte. Ich notiere mir grob die Richtung, mache Notizen und sortiere meine Unterlagen. So halte ich den Überblick und kann dem Kompass zum fertigen Buch folgen. Dabei lasse ich mir aber genug Spielraum, um den zugefroren See zu besuchen, den ich erst bemerke, sobald ich über die nächste Hügelkuppe hinwegblicken kann.

Innehalten und Geduld

Ich muss gestehen, ich stand in der Realität bislang nur auf Kinder-Langlauf-Skiern in unserem Garten, aber wenn ich Berichte über Langlauf lese, höre oder sehe, dann passt das Bild für mich ziemlich gut. Natürlich folgen viele Läufer festgelegten Routen und weichen nicht davon ab. Aber auch solche Autoren gibt es, die ein Buch von vorne bis hinten durchplanen. Ich brauche mehr Freiheit und möchte alles erkunden. Dafür benötige ich mehr Zeit und verfahre mich auch mal. Das ist für mich in Ordnung. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er möchte und welche Arbeitsweise passt. Vor allem aber braucht jedes Buch Kondition, Durchhaltevermögen und Geduld. Eben wie beim Skilanglauf.

Ein Roman ist keine schnelle Abfahrt. Vielmehr gibt es unterschiedliche Phasen von der Idee bis zur Veröffentlichung. Schreiben, überarbeiten (womöglich mehrfach), Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Marketing … Gerade im Selfpublishing gehe ich als Autor viele dieser Schritte alleine. Deshalb bin ich sehr froh, dass es noch andere Langläufer gibt, mit denen ich ein Stück des Weges zusammen die Landschaft genießen oder Seite an Seite den Berg erklimmen kann. Für mich sind diese anderen Langläufer Autoren, die vor ähnlichen Problemen stehen oder so tolle Aktionen in die Tat umsetzen wie Janna Ruth mit den literarischen Winterspielen. Aber auch Freunde und Familie gehören dazu. Manche stehen nur am Rand und feuern mich an, andere wie meine Mutter (danke, dass du jeden meiner Texte mehrfach liest!) oder meine Freundin Steffi (vielen, vielen Dank für dieses wundervolle Beitragsbild!) laufen ein Stück mit mir.

Skilanglaufbuch

Skilanglaufbuch gezeichnet von Steffi

Und am Ende stehe ich mit den Skiern in der Hand vor meiner Tür. Auf der Fußmatte liegt ein Päckchen, verziert mit unzähligen Fotos, die ich bei meinem Lauf durch die Winterlandschaft geschossen habe. Ich hebe es auf, öffne es und halte mein fertiges Buch in den Händen. Stolz auf das, was ich geschafft habe, reinige ich meine Skier und bereite alles für den nächsten Lauf vor. Denn der kommt ganz bestimmt. Meine Muse lässt schließlich weitere Schneeflöckchen rieseln.

Wie sieht es mit dir aus?

Aus einer Schneeflocke wurde dieser Beitrag und erst beim Schreiben habe ich gemerkt, wie gut das Bild des Skilanglaufs für mich zum Schreiben passt (ich liebe Schnee und die unterschiedlichen Phasen passen einfach perfekt zu meiner Arbeitsweise). Hast du auch ein Bild, das für dich als Künstler zur Entstehung deiner Werke passt? Und wenn du als Leser hier bist, gibt es Phasen meines Langlaufs, die dich besonders interessieren?

Literarische Winterspiele

Auf Facebook hat Janna Ruth die literarischen Winterspiele ins Leben gerufen. Eine herrliche Aktion, bei der du als Leser abstimmen kannst, wer zum Beispiel das Cliffspringen mit dem besten Cliffhanger-Textausschnitt gewinnt (noch bis heute Abend um 20 Uhr, danach ist der nächste Wettbewerb dran). Aber nicht nur die Texte gewinnen! Durch deine Teilnahme nimmst du automatisch an der Verlosung für einige unserer Bücher teil. Also: Schau vorbei und mach mit bei den literarischen Winterspielen. Unter dem Hashtag #litWinterspiele findest du auch auf Instagram und Twitter einige tolle Beiträge.



Laura Kier

»Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!« Mit diesen Worten in Gedanken, schafft Laura Kier magische, mystische und vielleicht auch gefährliche Welten voller Abenteuer, die Lichtfunken in dein Leben tragen können. Sie lädt mit ihren Texten Leser:innen ein, den eigenen Träumen zu folgen. Neben dem Schreiben genießt sie die Natur, liebt das Leben und ist vielfältig kreativ unterwegs, wenn ihre beiden verspielten Katzen es erlauben.

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