„Phantastik von Autorinnen lese ich nicht.“

Published by Laura Kier on

Am Wochenende hat mich die Aussage einer sehr guten Freundin extrem geschockt. Sie meinte: „Phantastik von Autorinnen lese ich nicht.“ Warum? „Weil ich keine Romantasy lesen will.“ Dabei schreibt nur ein Teil der Autorinnen Bücher, in denen das Thema Liebe einen hohen Stellenwert einnimmt. Genauso wie es Männer gibt, die Liebesromane schreiben … Ich hasse dieses Schubladendenken. Nur weil ein Frauenname auf dem Cover steht, muss noch lange keine Liebesgeschichte drin sein.

Mich schockiert vor allem, dass eine Frau sagt, sie liest kaum weibliche Autoren, weil Autorinnen immer Liebe drin haben. Das stimmt nicht. Weder haben wir Autorinnen immer Liebe drin, noch sind Bücher von Autoren frei von Liebe. Aber ich möchte hier nicht über das Thema „Liebe in Romanen“ reden (vielleicht in einem anderen Beitrag), sondern darüber, dass Aussagen wie „ich lese keine Phantastik Autorinnen“ in vielen Köpfen festsitzen.

Die Nornen

Vor einem dreiviertel Jahr habe ich einen Artikel über das Nornennetz im gelesen. Natürlich war ich begeistert und wollte unbedingt dazugehören. Mit anderen Frauen meine Position als Autorin stärken klang gut, damals habe ich aber noch nicht gedacht, dass es so extrem nötig sein könnte. Seit September 2017 bin ich nun eine Norne und mittlerweile weiß ich auch, warum es wichtig ist, mich im Nornennetz zu engagieren. Wir Autorinnen werden oft nicht nur schlechter bezahlt, sondern es gibt auch immer noch viele LeserInnen, die lieber eine Schublade öffnen und sagen „lese ich nicht, weil falsches Autoren-Geschlecht“, als dem Buch, unabhängig vom Autoren-Geschlecht, eine Chance zu geben.

Masken in Fiction und Realität

Masken in Fiction und Realität – welche können wir ablegen?

Die Nornen bestimmen laut der nordischen Mythologie das Schicksal. Und genau das tun wir AutorInnen auch. Diese Grundidee hat das Nornennetz verinnerlicht. Wir sind ein Zusammenschluss von weiblichen Phantastik-Autorinnen und wollen solche Aussagen wie die meiner Freundin aus den Köpfen der LeserInnen (ich hasse dieses Gendering und nutze lieber die neutralen Formen, aber in diesem Beitrag ist es wichtig) bekommen. Weil jemand weiblich ist und schreibt, schreibt er noch lange keine Romantik oder schlechter als Männer. Jeder hat seinen eigenen Stil. Egal ob Mann oder Frau. Der eine schreibt blumig, die nächste beschreibt nahezu gar nicht das Aussehen ihrer Figuren (ich zum Beispiel). Egal ob Mann oder Frau, worüber und wie wir schreiben wird definitiv durch unsere Vergangenheit geprägt, aber warum sollte eine Frau nur Herzensdinge in ihren Büchern lebendig werden lassen und Männer nur über emotionslose Technik schreiben? Beide können packende Weltraumabenteuer oder ergreifende Liebesromane veröffentlichen.

Wir Nornen wollen derartige Schubladen in den Köpfen der LeserInnen aufbrechen.

Der Name

Viele weibliche Autoren bekommen angeblich nur dann Aufmerksamkeit, wenn die Romantik einen starken Stellenwert in ihren Romanen einnimmt und genau deshalb gibt es Leser wie meine Freundin, die einen weiten Bogen um Bücher mit Frauennamen auf dem Cover machen. In meinen Augen sehr traurig. Häufig habe ich im Internet deshalb schon den Tipp gelesen, dass ich meinen Vornamen abkürzen (J.K. Rowling ist da ein gutes Beispiel) oder direkt unter männlichen Pseudonym meine Phantastik-Romane schreiben soll (umgekehrt sollen Männer, die Liebesromane veröffentlichen sich ein weibliches Pseudonym zulegen). Ganz ehrlich, was ist das für ein Bullshit? Nur weil eine andere Schublade drauf steht, wird es anders wahrgenommen und gekauft? Na herzlichen Dank! Aber leider ist genau das die verdammte Realität! Meine Freundin ist ein Beispiel. Ein anderes waren die Erlebnisse auf dem Raum & Zeit Continuum in Braunschweig. Eigentlich wollte ich darüber einen Con-Bericht schreiben (mein Bericht der Leipziger Buchmesse ist immerhin zur Hälfte fertig *hust*), aber ich denke, den Bericht lasse ich in diesen Beitrag einfließen.

Das Raum & Zeit Continuum war eine sehr kleine Convention, eher eine Art Clubtreffen. Für mich war vor allem interessant andere SciFi-Fans der Umgebung zu treffen und vielleicht kennenzulernen. Vereinzelt waren auch Frauen darunter, aber der Großteil waren natürlich (Schublade auf, Schublade zu) Männer – keine Angst, ich kenne viele weibliche SciFi-Fans und zähle mich selbst dazu. Männer der Generation 50+ und von Perry Rhodan (nächste Schublade – ich habe es nie gelesen) begeistert. Wir hatten von meiner Schreibgruppe aus einen Tisch aufgebaut und unterschiedlichste Bücher zum Verkauf angeboten. Okernebel (unsere Anthologie, Urban Fantasy mit drei Herausgeberinnen auf dem Cover), Märchen (falsche Zielgruppe), meine Dystopie „Perfektion – Die Veränderten“ und noch einige andere Anthologien sowie Romane – alle ScienceFiction. Wenn ein Griff von besagten Herren in Richtung eines der Bücher ging, dann nicht zu meiner Dystopie, sondern den Romanen oder Anthologien mit männlichen Namen auf dem Cover.

Überhaupt habe ich mich oft fehl am Platz gefühlt. Das Klientel passte nicht zusammen. Da war meine Schreibgruppe und unsere Besucher (wir hatten drei Lesungen) und dann die Besucher vom ScienceFiction-Verein. Zum einen haben wir den Altersdurchschnitt gesenkt, zum anderen aber auch die Frauenquote erhöht (es gibt immerhin vier Frauen im Verein). Für mich ein trauriges Bild. Warum immer diese Schubladen? Dabei muss ich gestehen, dass ich sie selber nutze. Meiner Schwester hätte ich kaum zugetraut, dass sie gerne meine ScienceFiction-Romane (von meinen Dystopien abgesehen) lesen würde. Von wegen. Mit Fantasy kann sie wenig anfangen, aber alles was von Magie weg und hin zur Technik geht, ist ihr Ding. Genauso passiert es uns allen ständig. Nur weil eine Kategorie oder ein Name draufsteht, stecken wir es in eine bestimmte Schublade. Ich will davon wegkommen.

Frauen können sehr wohl ScienceFiction

Mary Shelley ist mit Frankenstein ein sehr altes Beispiel, Marion Zimmer Bradley (ich habe ihre Bücher, vor allem den Darkover-Zyklus verschlungen) oder Anne McCaffrey jüngere. Aber auch heute gibt es noch lebende Autorinnen, die sich der ScienceFiction verschrieben haben. Amy Kathleen Ryan schreibt ScienceFiction für Jugendliche und es gibt noch viele andere. Deutsche, eher unbekannte Autoren sind zum Beispiel Alessandra Reß, Anna Holub oder Nele Sickel. Alle stehen in meinen Augen ihren männlichen Kollegen in nichts nach.

Häufig heißt es, Frauen können mit Science vor dem Wort Fiction nichts anfangen, sprich Wissenschaft und Technik wären weniger etwas für Frauen. Von mir ein klares nein. Ich kenne viele Frauen in wissenschaftlichen und technischen Berufen – ja, wir sind zum Teil eine Minderheit, aber hier hat in meinen Augen die Erziehung mit ihren Schubladen ala „Frauen und Technik“ versagt. Ganz oft erlebe ich Frauen, die sich nicht zutrauen, neue Computerprogramme zu lernen. Ich versuche ihnen die Angst durch Gespräche und Erklärungen zu nehmen, sehr häufig klappt es dann. Genau das ist auch mein Ziel beim Thema Frauen und Phantastik.

Frauen können gute Phantastik schreiben (mit und ohne Liebesgeschichte). Wir haben alle unseren eigenen Stil und deshalb halte ich es lieber wie eine andere Freundin von mir: welcher Name auf dem Cover steht, ist egal. Ich merke ihn mir eh nicht, bis ich das Buch gelesen habe. War es gut, merke ich mir, von wem ich mehr lesen möchte. War es schlecht, gebe ich der Person vielleicht noch eine Chance, aber das Geschlecht interessiert mich nicht. Ich hoffe, eines Tages denken viel mehr LeserInnen so. LieblingsautorInnen und solche von denen man nichts lesen will, wird es immer geben und das ist auch gut so. Nur bitte, mach es nicht pauschal am Geschlecht fest. Keiner sollte sich hinter einer Maske / einem anderen Namen verstecken müssen, nur um überhaupt gelesen zu werden.

Wie sieht es mit dir aus?

Ist für dich das Geschlecht des Buchschreibers (hier neutral gemeint) wichtig? Liest du grundsätzlich nur Liebesromane von Frauen oder SciFi von Männern (vielleicht ja auch umgekehrt)? Worauf kommt es für dich an? Spielt der Name / das Geschlecht überhaupt eine Rolle?



Laura Kier

»Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!« Mit diesen Worten in Gedanken, schafft Laura Kier magische, mystische und vielleicht auch gefährliche Welten voller Abenteuer, die Lichtfunken in dein Leben tragen können. Sie lädt mit ihren Texten Leser:innen ein, den eigenen Träumen zu folgen. Neben dem Schreiben genießt sie die Natur, liebt das Leben und ist vielfältig kreativ unterwegs, wenn ihre beiden verspielten Katzen es erlauben.

6 Comments

Nike Leonhard · 14. Mai 2018 at 12:28

Ich gehöre zu den Leuten, die auf Romantasy ähnlich reagieren, wie Werwölfe auf Silber. Dementsprechend selten lese ich Liebesromane. Bisher sind mir auch nur zwei begegnet, die ich jederzeit unbeschränkt weiterempfehlen würde: „Gut gegen Nordwind“ und „Das Rosie-Projekt“. Warum ich das erwähne? Weil beide von Männern geschrieben sind.
In der Science Fiction ist mir außer den schon Genannten vor allem James Tiptree jr. positiv in Erinnerung geblieben, die vermutlich nur deshalb in Vergessenheit geriet, weil bekannt wurde, dass der Name ein Pseudonym ist. Dabei hatte sie einen sehr eigenen Blick, der sich wohltuend von der oft chauvinistisch herablassenden Perspektive der „Großen“ ihrer Zunft abhebt.
Genau das ist es, was ich mir von Büchern wünsche: neue Blickwinkel. Deshalb ist es mir auch zunächst mal vollkommen gleichgültig, welchem Geschlecht, welcher Hautfarbe oder welcher Religion sich der/die/das Autor zuordnet. Und wenn mich einem Buch überzeugt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich auch das nächste aus gleicher Quelle lesen will.

    Laura Kier · 14. Mai 2018 at 12:40

    Danke, dass du auch nochmal James Tiptree jr. erwähnst. Ich habe lange überlegt, ob ich den Namen aufzähle, habe mich dann aber dagegen entschieden, weil ich von ihr noch nichts gelesen habe. Und nachdem, was du beschreibst, sollte ich das dringend ändern 🙂 Mir geht es da nämlich wie dir: ich wünsche mir neue Blickwinkel, egal woher der Autor (neutrale Form!) stammt oder was er sonst noch für Hintergründe hat.
    Vielen Dank dir für deine Gedanken, Nike!

Diandra · 14. Mai 2018 at 13:19

Eigentlich achte ich gar nicht auf den Autor, wenn mich ein Buch vom Titel/Cover her anspricht. Allerdings habe ich schon gelegentlich Verwunderung geerntet, wenn in meinen Büchern Herzen nur in Eingeweideform und nicht romantisch vorkommen, für eine Frau sei das doch so ungewöhnlich. (Glauben die. Ha!!)

    Laura Kier · 14. Mai 2018 at 14:25

    Romantik … selten. Und dann auch nur am Rand. Ich bin einfach nicht der Liebesroman-Typ. Von daher kann ich dich verdammt gut verstehen.

Caroline · 14. Mai 2018 at 16:26

Ich lese viele Genres, ganz egal ob von Frau oder Mann geschrieben. Ja, ich lese auch Romantik, Fantasy, Romantasy, Thriller etc. Hauptsache das Cover, der Titel und der Inhalt sprechen mich an. Deinen Roman habe ich mir schon, werde ich demnächst lesen.
Liebe Grüße,
Caroline

    Laura Kier · 14. Mai 2018 at 21:47

    Liebe Caroline,
    ich bin echt gespannt, wie du mein Debüt findest 🙂
    Für mich ist auch wichtiger, dass mich der Inhalt (an erster Stelle aber Cover + Klappentext) ansprechen. Beim Genre bin ich da schon wählerischer, aber mittlerweile probiere ich auch da mehr aus.
    Alles Liebe und viel Spaß beim Lesen
    Laura

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