Es war einmal … ganz anders
Ein echtes Happy End ist harte Arbeit.
Eine Kurzgeschichtensammlung der Märchenspinnerei
Dunkelrot streckte sie ihre Blütenblätter in den Himmel. Voller Zufriedenheit betrachtete Kain die Königin, die Schönste seiner Rosen. Der Busch versprach viele weitere herrliche Blüten. Bald würden sich die nächsten Knospen öffnen. Doch dafür musste er auf sie achten. Die Temperatur im Gewächshaus sollte konstant bleiben, das Licht durfte nicht zu schwach werden. Im Winter alles andere als einfach. Der Schnee ließ ihn stapelweise Feuerholz heranschleppen. Bald gab es nichts mehr, was er noch eintauschen konnte, um die Rosen am Leben zu halten. Wären sie nicht seine letzte Erinnerung an eine Zeit … Außerdem brauchte er ihre Essenz. Die Frauen der Gesellschaft liebten seine Parfüms und waren bereit, einen hohen Preis zu bezahlen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt Kain die Reihen der Rosen ab. Weiße Blüten, daneben rosafarbene. An das tiefe Blutrot seiner Königin kam niemand heran. Dafür hatten die anderen einen unverwechselbaren Duf… Was war das? Er erstarrte mitten in der Bewegung. Humpelnd schob er sich vorwärts, zog sein linkes Bein nach. Im Licht der Abenddämmerung huschte ein Schatten durch das Gewächshaus und hockte sich hin.
Ein paar Schritte später sah Kain, wie vor ihm auf dem Boden ein Mann kniete. Der Fremde streckte seine Hand aus, hatte sie bereits um den Stil einer Blüte gelegt. Ohne Frage: Er wollte eine seiner Rosen stehlen!
»Hey!«, fuhr Kain ihn an. »Was treiben Sie da? Das sind meine Rosen!«
Der Mann wirbelte herum. »Bitte?«
»Mein Gewächshaus, meine Rosen.«
»Entschuldigung, ich wollte mich nur ein wenig ausruhen. Hier war es angenehm warm und …«
»Und da dachten Sie, Sie könnten meine Rosen einfach so mitnehmen?« Kain verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei hielt er den linken Arm mit dem rechten fest. Er hatte seit Jahren kein Gefühl mehr in den Fingern, seit die Knochen nach einem Bruch falsch zusammengewachsen waren. Leider erschwerte es seine Arbeit ungemein. Dennoch wollte er so imposant aussehen wie möglich. Niemand vergriff sich an seinen Schätzen!
Hilflos betrachtete der Mann den Boden vor Kains Füßen. »Ich wollte nichts stehlen«, flüsterte er. »Mir ist etwas … heruntergefallen.« Suchend sah er sich um. Dann zuckte er die Schultern.
»Ach ja?« Natürlich glaubte Kain ihm kein Wort. »Wenn das so ist, nehmen Sie sich, wonach Sie gesucht haben und verschwinden Sie.«
»Bitte, erlauben Sie …«, druckste der Unbekannte herum. »Meine Tochter, Amanda, sie wünscht sich so sehr ein wenig Leben, um die Dunkelheit des Winters zu erhellen.«
»So ist das? Für die Tochter sollte die Rose sein? Da kann ja jeder kommen!« Kain wurde lauter und schrie den Mann beinahe an. »Los, verschwinden Sie! Diebe dulde ich nicht auf meinem Anwesen.«
Ein echtes Happy End ist harte Arbeit.
Die gute Fee Bridget weiß genau, an welchen Faktoren sie schrauben muss, um dem Königssohn zu seiner Traumhochzeit zu verhelfen. Schwieriger hat es da schon Arife, die als Muslima trotz ihrer herausragenden Leistungen nicht ins Schwimmteam darf, damit sie nicht aus Versehen mit deutschen Jungs in Berührung kommt. Während knallharte Mafiosi um unschuldige Kinder handeln und Prinzessinnen in der Suppenküche aushelfen, verschläft Dornröschen fast ihren Märchenprinzen und König Drosselbart fängt sogar einen Krieg an, um seine Schmach zu tilgen.
In dreizehn Kurzgeschichten verweben die Märchenspinnerinnen altbekannte Märchen mit zeitgenössischen Problemen und füllen fantasievolle Welten mit neuem Leben.
Genres: Märchenadaption, Steampunk