Immer wieder gibt es Momente, in denen wir Kraft schöpfen müssen, uns eine Pause vom Alltag wünschen oder uns etwas Gutes tun wollen. Genau dafür habe ich meine Märchen geschrieben. Sie sollen dich in eine andere Welt mitnehmen, dir Inspiration schenken und ein Licht im Alltag sein. Ich wünsche dir eine ruhige und angenehme Lesezeit.
Jedes Märchen der Reihe »Märchenhafte Auszeit« ist in sich geschlossen.
Liebe Eltern,
die Märchen wurden nicht für Kinder geschrieben. Ich freue mich natürlich, wenn dein Kind Interesse an meinen Werken hat, aber Sprache und Inhalt sind komplexer als Geschichten, die direkt für Kinder mit entsprechend angesetzter Altersstufe verfasst wurden. Bitte lies die Märchen zunächst selbst und entscheide dann, ob sie für dein Kind verständlich sind.
Viel Spaß beim Lesen,Laura Kier
Wie wäre es mit Märchen statt Pralinen?
Pralinen und Blumen kann jeder. Aber viel intensiver schmecken und duften Geschichten, die zum Leben erwachen. Abenteuer, die uns Zeile für Zeile tiefer eintauchen lassen. Was gibt es Schöneres, als mit Charakteren zu lachen, zu weinen und über sich hinauszuwachsen?
Märchen können nachdenklich stimmen, humorvoll sein und das Herz berühren. Der tolle Nebeneffekt: Alles garantiert ohne Kalorien.
Die Träume der Wolkenkatze
Die Wolkenkatze ist auf der Suche nach einer Aufgabe und übernimmt daher die Traumverteilung für den Mond.
Ein gestresstes Eichhörnchen, ein Marienkäfer mit Angst vor Veränderungen und eine Waschbärin mit dem Wunsch nach Perfektion stellen ihre Kreativität auf die Probe. Zudem muss sie aufpassen, dass die gewebten Träume nicht zu Albträumen werden.
Wird die Wolkenkatze dem Mond eine würdige Nachfolgerin? Und findet sie damit endlich eine Aufgabe für sich?
Taschenbuch: 176 Seiten
Erschienen: Juli 2022
Leseprobe (PDF)
Lesung während eines Livestreams (YouTube-Video)
Magie der Lichtträume
Gewitterhexen und Mondfüchse?
Samenkörner aus purer Magie?
Unvorstellbar vielleicht. Unmöglich keineswegs, sobald Musen wie Fillith Ideen in die Köpfe der Menschen pflanzen. Doch Fillith träumt davon, sich nicht an Menschen zu binden, und gefährdet dadurch ihr Leben.
Auch die Feuernymphe Feora hat einen Traum: Sie will eine Blume berühren. Und das Schaf Rocks wünscht sich, dass es endlich schneit.
In sieben Märchen lässt Laura Kier Meerjungfrauen fliegen, Rosen zu einem magischen Gefängnis werden und Eisfunken Herzen erwärmen.
Taschenbuch: 200 Seiten
Erschienen: März 2022
Leseprobe (PDF)
Statt einer Leseprobe habe ich sieben für dich. Die folgenden sieben Märchen sind alle ein Teil der Märchensammlung.
Dornentraum
Hardcover: 978-3-96427-006-1 – nur bei mir direkt erhältlich
Taschenbuch: 978-3-96427-007-8
Kindle: B08RZF42JN
1. Auflage: Juni 2019
2. Auflage: Januar 2021
Enthalten in der Sammlung »Magie der Lichtträume«
Dornentraum
Da war sie. Blutrot und trotz ihrer Dornen so zart. Zerbrechlich, begehrenswert.Falan hob seine Hand und wollte über die Blütenblätter streichen, doch er ließ es bleiben. Eine Berührung könnte die Schönheit zerstören. Außerdem musste er sich beeilen. Schnell vergewisserte er sich, dass niemand zusah, dann schnappte er sich sein Taschenmesser und schnitt die Rose weit unten am Stiel ab. Es waren genug andere da, an denen sich die Hexe erfreuen konnte. Aber diese eine brauchte er.
Vorsichtig steckte er den Stiel der Rose in seinen Hosenbund und schlich sich davon. Zügig folgte er dem Weg durch die Felder, in der Hoffnung, dass die Alte ihn nicht gesehen hatte.
Kurz war er geneigt, in die Sicherheit seiner Hütte am Dorfrand zurückzukehren, doch dann würde Zary nie auf ihn aufmerksam werden. Er musste es wagen. Heute. Immerhin hatte sie Geburtstag und würde eine Rose sicher zu schätzen wissen. Rosen waren schließlich kostbar und selten. Nur bei der alten Hexe wuchsen sie. Damit hatte er das perfekte Geschenk für Zary. Etwas Einzigartiges.
Zuversichtlicher strich Falan mit der Hand durch den Weizen. Die Ähren raschelten unter seiner Berührung, ansonsten war es still. Kein Wind ging und auch die Vögel schwiegen.
Die Mittagssonne brannte auf ihn herab und ermahnte ihn, möglichst bald einen Schattenplatz zu suchen, doch auf dem Feldweg war er schutzlos der Sonne ausgeliefert. Er kämpfte sich vorwärts und dachte dabei an Zarys Lächeln. Bestimmt würde sie auch ihm endlich ihr bezauberndes Funkeln in den Augen schenken, sobald er ihr die Rose überreichte. Die Vorstellung machte seine Füße leicht. Mit beschwingten Schritten ging er an den Ähren vorbei.
Am Ende des Felds erklomm er den Hügel und war froh, im Schatten von Kiefern und Birken weitergehen zu können. Es war nicht mehr weit. Das Lachen der Frauen begrüßte ihn bereits. Zarys Stimme erkannte er sofort. Glockenhell übertönte sie alle anderen.
Hinter einer der Kiefern verbarg Falan sich und betrachtete die Frauen. Auf bunten Decken saßen sie im Gras am Ufer, reichten Kuchen und Wein herum. Zarys rotes Kleid hob sich von den gelben und grünen Kleidern der anderen Frauen ab. Sie leuchtete wie die Rosen aus dem Hexengarten. Nun fehlte ihr nur noch eine der Blüten in ihren brünetten Locken und das Bild wäre perfekt.
Jetzt oder nie. Falan straffte die Schultern. Er trat hinter dem Baum hervor und schlenderte auf das Wasser zu.
Die Frauen tuschelten, als er näher kam.
Die Gewitterhexe und der Mondfuchs
Hardcover: 978-3-96427-009-2 – nur bei mir direkt erhältlich
Taschenbuch: 978-3-96427-012-2
Kindle: 978-3-96427-011-5
1. Auflage: April 2017
2. Auflage: Juni 2020
Die Gewitterhexe und der Mondfuchs
Lachend und grölend schossen die Hexen über den Himmel. Um sie herum tobte ein Gewitter, wie Mirai lange keines mehr erlebt hatte. Blitze zuckten schneller durch die Wolken, als sie blinzeln konnte. Zudem prasselte ein herrlicher Regenschauer auf die Erde nieder. Ein Unwetter voller Energie und Kraft, die Mirai begierig aufnahm. Sie war in ihrem Element. Der Wind peitschte ihr um die Nase, das Wasser rann ihr über das Gesicht. Zwischen ihren Fingern bebte der Besen. Sie hatte Mühe, ihn zu kontrollieren, doch das machte den Nervenkitzel aus. Sie war eine Gewitterhexe und als solche trieb sie die Gewitterfront vorwärts.Vor ihr vollführten ihre Schwestern waghalsige Saltos oder ließen sich von ihren Besen hinabhängen. Etwas, was Mirai nie tun würde.
Gerade schossen ihre Schwestern lachend über Bäumen hinweg, die Feuer fingen oder durch ihre Blitze gespalten wurden. Mirai machten die Flammen Angst. Lieber konzentrierte sie sich auf ihren Flug, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Jedes Mal, wenn sie den Stiel für einen Moment losließ, raste ihr Herz und ihre Beine zitterten. Erst recht wenn der Wald unter ihr lichterloh brannte und sie abstürzen könnte. Jämmerlich würde sie dann wie die Tiere zugrunde gehen, die dem Flammenmeer nicht entkommen konnten. Kein schönes Bild. Hoffentlich würde der Regen bald alles löschen.
Plötzlich rief ihre älteste Schwester spöttisch: »Hey, Mirai! Gleich geht’s ins Gebirge. Pass auf, dass du nicht vom Besen fällst!«
Die anderen lachten. Wie immer.
Rezensionen zu "Die Gewitterhexe und der Mondfuchs"
Buchempfehlung von Buchlilie vom 09.03.2018von Tintenkompass vom 26.09.2017
von Magische Momente in der kleinen Bücherwelt vom 06.09.2017
Blühende Steine
Zumindest wenn Alun der Feuernymphe Feora glaubt. Aber hat sie recht?
Ein Samenkorn aus purer Magie bringt ihn zum Nachdenken. Ist es wirklich ein Herz, das er braucht oder steckt hinter den Worten der Nymphe etwas ganz anderes?
1. Auflage: März 2017
2. Auflage: Juni 2020
Blühende Steine
Erschrocken ließ der Steintroll Alun den Korb mit den Zwiebeln für die Sommerblumen fallen. Vor ihm am Seeufer stand eine Feuersäule. Einfach so, mitten auf dem Sand. Lediglich der Wind ließ die Flammen in unterschiedliche Richtungen züngeln. Wie war das möglich? Feuer brauchte Nahrung, genau wie die Pflanzen, die er pflegte. Sand war keine Nahrung.Plötzlich machte die Feuersäule einen Schritt nach vorne, auf den See zu. Dann noch einen.
Schon züngelten die Flammen über die Seeoberfläche. Dampfwolken stiegen auf und das Wasser begann in der direkten Nähe des Feuers zu kochen. Für die Wasserlilien war es zu heiß. Dicht schwammen sie an den blubbernden Wasserblasen, wodurch sich ihre Blätter dunkel färbten und in sich zusammen fielen.
Alun rannte auf den See zu. Bevor er die Stelle erreichte, verlosch das Feuer. Eine Nymphe kam zum Vorschein, die ihre Hände zu einer Wasserlilie streckte.
Zitternd stand sie da. Zwischen ihren Fingern eine der Blüten, die ihre leuchtend weiße Farbe verloren hatte.
Der Steintroll trat auf sie zu und räusperte sich. Darauf erhob sie sich und drehte sich zu ihm um. Eine Träne rann über ihre Wange, die verdampfte, ehe sie ihr Kinn hinab tropfen konnte.
»Wer bist du?«, wollte der Steintroll von der Nymphe wissen.
»Feora«, flüsterte sie. Schwerfällig wankte sie ans Ufer. Ihr Gesicht wurde mit jedem Schritt blasser. Wo die Haut zuvor rötlich geschimmert hatte, nahm sie nun eine aschfahle Färbung an.
Besorgt betrachtete Alun die Nymphe. Sie hielt weiterhin die verkohlten Überreste der Wasserlilie in der Hand. Was hatte sie damit vor? Darauf fragte er: »Was tust du hier?«
Rezensionen zu "Blühende Steine"
von Magische Momente in der kleinen Bücherwelt vom 06.07.2017Die Muse und der Sorgendieb
Schmerzhaft und tödlich für eine Muse, wenn sie sich nicht an ein Lebewesen bindet, um ihre Ideen weiterzugeben. Aber Fillith will in Freiheit leben. Ein unerfüllbarer Wunsch, bis sie einem Sorgendieb begegnet. Kann er ihr tatsächlich helfen?
1. Auflage: Februar 2017
2. Auflage: Juni 2020
Die Muse und der Sorgendieb
»Ich will nicht!« Fillith streckte Arme und Beine von sich, um nicht von ihrer Mutter nach draußen geschoben zu werden. »Nein! Lass mich!«, keifte sie und schlug wild mit ihren Flügeln.Die Mutter starrte ihre Tochter an. »Es ist deine Pflicht, in die Welt hinauszufliegen und neue Inspirationen zu verbreiten. Also auf mit dir!«
»Jeder darf sich seine Aufgaben aussuchen, warum ich nicht?«
»Weil du eine Muse bist. Unser Leben besteht aus Inspiration! Alles um uns herum blüht und leuchtet. Wir sind diejenigen, die mit den Staubkörnern tanzen und mit dem Licht eines Regenbogens ein Einhorn erwecken! Ansonsten ist niemand in der Lage, Derartiges zu tun. Natürlich müssen wir dafür die Inspiration sammeln und an andere Wesen weitergeben. Unser Kuss weckt in ihnen Ideen. Stell dir vor, dass du allein es schaffen kannst, dass aus einem ungeliebten Erdklumpen eine prächtige Rose wird. Dadurch bekommst auch du ein Leben voller Glück.«
Fillith rümpfte die Nase. »Bekomme ich nicht! Sonst dürfte ich entscheiden, was ich tun möchte. Ich will nicht dazu da sein, dass Künstler, Wissenschaftler oder was weiß ich wer auf mir herumhacken. Warum kann ich nicht selbst schreiben, malen oder musizieren?«
Die Mutter zwängte sich an ihrer Tochter vorbei und schob die Blätter der Orchideenblüte auseinander. Draußen war es hell, beinahe grell. Die Sonnenstrahlen erreichten Fillith, kitzelten sie und wärmten ihre Flügel. Außerdem strömten zahlreiche Gerüche auf sie ein. Farben, Töne – alles stieß ungefiltert zu ihr durch. Jeder ihrer Sinne wurde betört. Es war schmerzhaft, doch sie hielt es aus. Zumindest für den Moment. Ein weiterer Grund, nicht dem Weg der Musen zu folgen. Es war zu viel.
»Liebling, der Anfang ist nicht leicht. Aber mit der Zeit lernst du, nicht auf sämtliche Empfindungen zu reagieren.« Ihre Mutter deutete abermals auf die Welt, die sich vor Filliths Augen öffnete. »Weißt du, was ich sehe, wenn ich mir meine Umgebung ansehe?« Sie wartete keine Antwort ab. »Ein Reich voller ungehobener Schätze. Auf dem Tisch dahinten landen die unterschiedlichsten Gerüche und Geschmäcker! Du musst unbedingt ein Stück Schokoladenkuchen probieren und an einem Glas Apfelschorle nippen. Und die Blumensträuße – herrlich! Tulpen, Rosen – manchmal mit Farnen und Gräsern. Wenn du erst draußen bist, wartet ein gedeckter Tisch auf dich. Also hinaus mit dir!«
Rezensionen zu "Die Muse und der Sorgendieb"
von Magische Momente in der kleinen Bücherwelt vom 18.09.2017 von Manus Bücherregal vom 06.07.2017
Kirschen im Winter?
Der Sommer ist zu stark und Schnee rieselt nur noch in einer Schneekugel auf seine Winterlandschaft. Plötzlich steht das Schaf Rocks vor seiner Tür. Es ist zu warm und Matsch im Winter geht gar nicht. Kann Jack mit Rocks Hilfe den Winter zurückbringen?
1. Auflage: November 2016
2. Auflage: Juni 2020
Kirschen im Winter?
Wie ein weiches Federbett lag eine dicke, kuschelige Decke über den Wiesen und Feldern. Die Bäume der Wälder reckten stolz ihre Kronen dem Himmel entgegen und schmückten ihre Zweige mit Schnee. Glitzernde Perlen aus Eis hingen an den Kiefern und Fichten, ließen den Winter in seinem schönsten Glanz erstrahlen.Zwischen den Nadelbäumen segelten einzigartig geformte Schneeflocken zu Boden. Beinahe war es so, als würden sie im Wind tanzen. Ihr silbern-weißes Glitzern lud die Welt dazu ein, zu ruhen, um ihr Spiel zu betrachten.
Doch der Schein trog.
Mit fest aufeinander gepressten Lippen drehte Jack Frost abermals die Schneekugel um. Die Flocken tanzten umher, erschufen eine wundervolle Welt. Sie war perfekt. Anderes konnte er nicht sagen. Aber sie entsprach nicht der Realität. Sein Blick löste sich von der Schneekugel und wanderte zum Fenster. Eisblumen sollten es zieren, der Wind durch die Ritzen pfeifen, und soweit das Auge reichte, hätte Schnee liegen sollen. Hätte. Eigentlich. Es wäre perfekt. Ein Winter nach seinem Geschmack.
Er zog seine Wolldecke höher und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Schneekugel, die er in seinen runzeligen Händen hielt. Wenigstens eine kleine Winterlandschaft konnte er sich bewahren. Er war es leid, zu kämpfen. Viel zu lange dauerte sein Zwist mit Sian Morgenröte an. Wollte er ihr den Sieg überlassen? Nach all den Jahrtausenden, die sie beide miteinander gerungen hatten?
Ihm war zu Ohren gekommen, dass die Menschen ihren Kampf mittlerweile als Klimawandel bezeichneten. Eine amüsante Vorstellung. Wenigstens darüber konnte er lächeln. Leise kicherte er in sich hinein. Was diese Unwissenden nur für Ideen hatten. Es war erstaunlich.
Selbst die Namen, die sie ihm gaben. Näärivana. Senis Šaltis. Am Besten fand er Djeduschka Moros – Großväterchen Frost. Jemand anderes war er nicht mehr. Ein alter Mann, der müde und gebeugt war von den Schlachten, die er geschlagen hatte. Viele hatte er gewonnen, ebenso viele verloren.
Vielleicht sollte er sich tatsächlich zur Ruhe setzen und ihr das Feld überlassen. Seine Zeit war abgelaufen. Immerhin hatte er es geschafft, in den Geschichten der Menschen einen Platz einzunehmen. Dort würde er ewig fortleben, solange die Spezies bestand.
Erschöpft lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Sian Morgenröte. Einst war sie eine schöne, starke Frau gewesen. Eine mächtige Gegnerin. Langsam ließ er die Luft durch seine Nase ausströmen. Sein Atem rasselte, alle Bewegungen schmerzten. Sein Ende war nah. Das spürte er deutlich. Selbst wenn ihm weitere Atemzüge zustanden, so fehlte ihm die Kraft, seine Flocken auf die Erde zu schicken. Mit jedem neuen Einatmen versuchte er sich damit abzufinden und seine Niederlage zuzugeben.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Rezensionen zu "Kirschen im Winter?"
von Mimis Landbücherei vom 05.01.2018
von Manus Bücherregal vom 12.05.2017
Eisfunken
1. Auflage: November 2016
2. Auflage: Juni 2020
Eisfunken
Nicht einmal die Sterne oder der Mond trauten sich, hinter den Wolken hervorzukommen, um einen Blick auf die Welt zu werfen. Jede Spur von Leben war wie ausgelöscht. Soweit das Auge reichte, durchbrach lediglich das fahle Licht einer Laterne die Dunkelheit. Schneeflocken glitzerten im Lichtschein. Für die Wenigen, die das Leuchten erblickten, mochte es ein Hoffnungsschimmer sein.Doch nicht für Jarik.
Jarik hatte nur Augen dafür, dass sich auf dem Rand des Metalls eine sichtbare Schneedecke niedergelegt hatte. Die glänzenden Eiszapfen vor den Glasscheiben nahm er kaum wahr, ebenso wenig wie das gelblich leuchtende Gas im Inneren des Glaskäfigs. Auch das leise Quietschen des Laternenpfahls, den der schneidend kalte Wind hin und her schwang, drang nicht zu ihm durch. Nur das Knirschen des Schnees unter seinen Stiefeln erreichte ihn. Stück für Stück kämpfte er sich durch die weiße Masse, die ihn jedes Mal bis zu den Knien einsinken ließ. Seine Füße schmerzten und seine Zehen spürte er seit einiger Zeit nicht mehr.
Neben der Laterne hielt er inne. Unter der Schneeschicht lag eine Kreuzung. Links ging es zum Steinbruch, hinter ihm befand sich die Stadt und vor ihm lag der Wald. Er musste nach rechts, um in ein oder zwei Stunden sein Heimatdorf zu erreichen. Eine grausame Strecke im Schneetreiben.
»Hätte ich zu den Götzen betteln sollen, wie meine Mutter es getan hat?«, fragte er sich. »Möglicherweise wäre der Esel dann nicht verreckt oder der Müller hätte auf mich gewartet.« Leise fluchte er vor sich hin. Drohend hob er die Faust zur Laterne. »Du stehst hier, als wäre es egal, dass die Welt von den Schneemassen erdrückt wird.« Er spuckte aus und schob sich weiter.
Kaum war er zwei Schritte vorangekommen, da hörte er, dass Glas splitterte. Die Finsternis legte sich über ihn. »Das …« Er schüttelte den Kopf, wobei sich sein Schal löste und im Wind flatterte. Schnell stopfte er ihn an seinen Platz zurück. Wenn er draußen blieb, würde er nicht nur seine Zehen verlieren, sondern bald seinen letzten Atemzug tun. Deshalb setzte er sich in Bewegung.
Quälend langsam kam er voran. Mehr und mehr fuchste ihn seine eigene Sturheit. Die Vorstellung, jetzt in einem warmen Gasthaus auf den nächsten Tag zu warten, war verlockend. Aber dann hätte er gleich sein mühsam verdientes Geld den Bettlern vor die Füße werfen können. Er hatte sich dagegen entschieden. Weitergehen war die einzige Option. Dennoch musste er zugeben, dass er am Ende seiner Kräfte war.
›Nur kurz setzen‹, dachte er. Entkräftet sank er in den Schnee. ›Nur kurz ausruhen‹, bestätigte er seinen Gedanken und schloss für einen Moment die Lider. Sein Herzschlag verlangsamte sich. Die Kälte störte ihn nicht länger. Selbst der Wind hatte aufgehört, ihn zu ärgern.
Gerade als ihn das Gefühl überkam, in einen traumlosen Schlaf zu versinken, schreckte eine Stimme ihn auf. »Was machst du da?« Fröhlich und traurig klangen die Worte. Im ersten Augenblick glaubte er, ein Mädchen würde zu ihm sprechen, so hell war die Stimmlage. Zugleich erreichte ihn ein krächzender Unterton, den er von alten Frauen kannte.
Die Perlmuttschmetterlinge
So denkt auch die Meerjungfrau Mirjam. Sie wünscht sich sehnlichst einen Perlmuttschmetterling, um endlich zu träumen. Doch es gibt nur eine Person, die ihr den Wunsch erfüllen kann: Die Mondfee. Aber zu ihr zu gelangen, ist alles andere als einfach. Wird Mirjam es trotzdem schaffen?
1. Auflage: November 2016
2. Auflage: Juni 2020
Die Perlmuttschmetterlinge
Die Brandung trug Muschel um Muschel auf den Strand. Inzwischen war der Sand dicht bedeckt mit den zarten Gebilden. Dennoch führte die Meerjungfrau Mirjam ihr Flötenspiel fort. Mit geschlossenen Augen ließ sie die Töne in den Wind gleiten. Durch ihre Magie verwandelten sich die Klänge in Muscheln.Nach einer Weile löste Mirjam die Flöte von ihrem Mund, worauf ihr Lied in der Nacht verhallte. Hatte sie es geschafft?
Sie beugte sich von ihrem Felsen und fischte eine Handvoll Muscheln aus dem Wasser, die die Wellen zurück ins Meer gespült hatten. Aber eine nach der anderen warf sie wieder weg. Nicht groß genug, die falsche Farbe oder bereits in Stücke zersprungen.
Unzufrieden saß sie da. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, wenn sie rechtzeitig beim Mondfest sein wollte. Einmal im Jahr schenkte die Mondfee ihrem Volk die Magie des Landes. Jeder von ihnen durfte sich zu den Feierlichkeiten, gegen ein kleines Geschenk, etwas wünschen. Vielleicht hatte sie heute Glück, dass sie auserwählt wurde, ihren Wunsch vorzutragen: Sie wünschte sich einen Perlmuttschmetterling, um wie das Landvolk träumen zu können.
Bei diesem Gedanken blickte die Meerjungfrau wehmütig in die Ferne. Die Sterne leuchteten klar am Horizont und die ersten Strahlen des silbernen Nachtlichts wurden sichtbar. Der Mond. Schon bald würden die Perlmuttschmetterlinge in seinem Schein zur Erde hinabschweben. Sie waren die Träume, die die Menschen im Schlaf begleiteten. Träume, die sie nur zu gerne erleben würde. Wenigstens ein einziges Mal. Es war unmöglich. Ihr Volk hatte Angst. Manche Schmetterlinge brachten schreckliche Albträume mit sich. Eine Gefahr, die sie im Meer nicht duldeten. Aber selbst einen Albtraum würde Mirjam willkommen heißen. Alles war besser, als traumlos auf den Sonnenaufgang zu warten. Sie wollte über sich hinauswachsen. Neue Ideen zusammenfügen und wie das Landvolk in die unbekannten Reiche der Nacht entführt werden. Niemand konnte sagen, welche Abenteuer die Menschen dort erlebten. Doch sobald sie von ihren nächtlichen Erlebnissen sprachen, stahl sich ein zutiefst beglückter Ausdruck auf ihre Gesichter. Nur selten schlich sich Angst in ihr Minenspiel. Sie wollte, nein, sie musste einfach sehen, was sie sahen.