Märchen vs. Dystopien – ein großer Sprung oder ein kleiner Schritt?

Published by Laura Kier on

Vor einiger Zeit stellte mir eine meiner lieben Leserinnen folgende Frage: »Was hat dich dazu gebracht, Perfektion und Myalig zu schreiben? Die drei Bücher sind ja ganz anders als deine Märchen.«
Mich erinnert die Frage ein wenig an meinen Quereinstieg in die Softwareentwicklung. Da wurde auch oft gefragt, ob der Sprung zwischen Biologie und Software nicht sehr groß sei. Ich kann nachvollziehen, warum es für Außenstehende oft so scheint – genau wie bei Märchen und Dystopien – aber für mich war es nur ein kleiner Schritt.

Da liegen Welten zwischen

Ist das so? Oft vermuten wir aus unserer persönlichen Sicht, dass zwei Tätigkeiten, Themen oder Ideen keine Gemeinsamkeiten haben können. Aber gerade bei den beiden Themenkomplexen »Märchen vs. Dystopie« bzw. »Biologie vs. Softwareentwicklung« gibt es einige Überschneidungen – zumindest für mich.

Zunächst möchte ich einen kleinen Exkurs in die Arbeitswelt machen und danach zu zwei meiner Lieblingsgenres in der Fantastik zurückkommen: 2010 schloss ich das Studium der Biologie mit dem Diplom ab. Allerdings fand ich trotz vieler, vieler Bewerbungen auf ganz unterschiedliche Stellen keinen Job in den Bereichen, die mich interessiert hätten. Klinken putzen als Pharmareferent wollte ich nicht. Also überlegte ich, was ich stattdessen machen könnte. Ewig weiter Bewerbungen schreiben wollte ich nicht. Ich bewarb mich also auf Stellen, die nicht direkt mit der Biologie zu tun hatten. Redaktionspraktika, Betreuung von Kindergruppen in Museen und anderes. Zum Teil hätte ich dort starten können (die Bedingungen passten dann für mich aber nicht), zum Teil kamen auch Absagen. Beim Westermann Verlag in Braunschweig durfte ich für ein paar Wochen in die Redaktion der Biologie für Gymnasien reinschnuppern – ein spannendes Umfeld – aber auch dort gab es im Anschluss keine Stelle für mich. Während dieses Praktikums merkte ich aber, wie viel besser ich mit Software und Rechnern umgehen kann, als viele andere. Auch die Webentwicklung machte mir Spaß und ich hatte sogar mit einem Fernstudium in der Informatik begonnen, es aber dann doch sein gelassen, weil ich nicht noch ein komplettes Studium ohne Einkommen machen wollte. Also bewarb ich mich auf duale Ausbildungsstellen (Studium mit Ausbildung, ergo würde auch ein wenig Geld hereinkommen) und bekam gleich drei Angebote, die ich hätte annehmen können. Aber dann nahm mich eine Firma in den Quereinstieg bei vollem Gehalt nach einem Jahr Arbeitszeit. Kein weiteres Studium? Alles in der Arbeit lernen, was mir fehlte? Perfekt!

Und dann kamen die Fragen: »Ist das nicht ein weiter Sprung mit dem Wechsel zwischen Biologie und Softwareentwicklung?«
Für mich war die Antwort ein klares »Nein«. In der Biologie habe ich vor allem das Denken in Modellen gelernt. Prozesse in Lebewesen, wie die Proteinbiosynthese – vielleicht ist sie dir aus der Schule bekannt – waren ein wichtiger Bestandteil. In der Softwareentwicklung geht es auch um Prozesse, die in Programmen ablaufen, damit z.B. ein Autor seinen Roman aus dem Schreibprogramm exportieren und in ein E-Book verwandeln kann.
Aber durch die häufige Frage merkte ich, dass es für viele im Kopf ein riesiger Sprung zwischen Biologie (Lebewesen, Natur) und Softwareentwicklung (Technik, Computer) gibt. Deshalb hat mich auch die Frage »warum schreibst du neben Dystopien auch Märchen« (oder umgekehrt) nicht überrascht.

Ursprünge und Ideenwelten

Märchen und Dystopien unterscheiden sich stark voneinander. Allein die Grundstimmung ist in Dystopien deutlich düsterer und oft technisch angehaucht, fast nie magisch, wie in Märchen. Die Atmosphäre ist eine andere, meistens auch die Ziele und Wünsche von Charakteren und wie sie Hindernisse auf dem Weg zu ihren Träumen überwinden. Selbst stilistisch gibt es bei mir Unterschiede. So haben Dystopien oft mehr Action und dadurch kürzere Sätze und weniger ausschweifende Dialoge. Aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten:

  • Ich achte bei beiden auf eine stimmige Atmosphäre, die in den Köpfen der Leser:innen lebendig werden kann.
  • Meine Charaktere lege ich in »Graustufen« an, d.h. auch in Märchen (eher untypisch für Märchen) sind meine Wesen nicht klar gut oder böse.

Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass ich sowohl in Märchen, als auch in Dystopien alle Freiheiten habe, die ich mir nehme. Ich kann Magie einbauen, komplett neue Welten gestalten und dadurch Geschichten erschaffen, die oft davon erzählen, den eigenen Träumen zu folgen, egal, welche Hindernisse da womöglich im Weg stehen mögen.

Die eigentliche Frage war, was mich dazu gebracht hat, Perfektion und Myalig zu schreiben. Auf der Seite der Märchenspinnerei (klick hier) verrate ich dir mehr über die ursprüngliche Idee hinter Myalig und Perfektion. Tatsächlich sind beide aus der gleichen Basis-Idee entstanden, auch wenn davon heute nichts mehr zu merken ist. Der Plan war: »Schreib eine Märchenadaption zu ›Die Schöne und das Biest‹ in Form einer Kurzgeschichte für die Anthologie der Märchenspinnerei«. Gut. Ja. Ähm. Kurzgeschichte. Ne, nicht ganz: Die ersten Wörter ergaben den Vorgänger von Perfektion. Ich habe vor der Veröffentlichung vieles umgeschrieben (und es kam noch ein zweiter Teil hinzu). Dann schrieb ich tatsächlich eine Kurzgeschichte, die auch märchenhaft war und damit hoffentlich zur Märchenspinnerei passen würde. Aber Dornentraum war zu wenig eine Märchenadaption, die in die Anthologie passen könnte. Gut, nächster Versuch. Myalig wurde geboren. Und danach entstand endlich die gewünschte Kurzgeschichte und Märchenadaption zu »Die Schöne und das Biest« für die Anthologie der Märchenspinnerei.
Mehr Details, wie sich alles entwickelt hat und wie die Ideen gewachsen sind, verrate ich dir hier. Für mich war es eine spannende Reise, speziell in Hinblick auf die gemeinsamen Ursprünge und wie daraus vier völlig unterschiedliche Welten entstanden sind.

Eine Basis, vier Umsetzungen: Aus "Die Schöne und das Biest" entstanden das Märchen "Dornentraum", die Kurzgeschichte "Herz aus Rosen", der Roman "Perfektion - Die Veränderten" und die Märchenadaption "Myalig - gestohlene Leben"; die Cover der Bücher sind auf dem Foto zu sehen

Eine Basis, vier Umsetzungen: Aus „Die Schöne und das Biest“ entstanden das Märchen „Dornentraum“, die Kurzgeschichte „Herz aus Rosen“, der Roman „Perfektion – Die Veränderten“ und die Märchenadaption „Myalig – gestohlene Leben“

Perfektion war nicht meine erste Dystopie (allerdings meine erste Romanveröffentlichung) und Dornentraum nicht mein erstes Märchen. Wie genau ich auf die Idee gekommen bin, beide Genres zu schreiben, weiß ich nicht. Aber da ich beides liebe und selbst gerne lese, war es für mich naheliegend, meine Ideen einfach umzusetzen.
Manche glauben, dass man als Autor:in nur ein Genre wirklich gut schreiben könne. Dem kann ich nicht zustimmen. Schreiben ist ein Handwerk, das man lernen kann und die Basis ist für die meisten Textgattungen gleich oder sehr ähnlich. Natürlich gibt es Unterschiede, ob man ein Theaterstück, eine Kurzgeschichte oder einen Roman schreibt. Und auch Genres haben ihre eigenen »Regeln« bzw. »Konventionen«, die ich als Autorin kennen sollte. Doch warum ich mich deshalb nur auf ein einziges Thema (im Endeffekt ist es das) beschränken muss, das verstehe ich nicht. Ich schreibe, was ich liebe. Dazu gehören sowohl Dystopien als auch Märchen – und allgemein querbeet durch die Fantastik.

Weltenwanderer

Ehrlich gesagt liebe ich es, zwischen unterschiedlichen Welten zu wandern. Ich genieße die Abwechslung, Neues zu entdecken und auch andere Herausforderungen zu meistern. Jeder Roman, jede Kurzgeschichte (meine Märchen sind bislang vor allem Kurzgeschichten) – egal in welchem Genre – bringen neue Möglichkeiten und Hürden mit sich. Das macht es für mich spannend und ich freue mich, bei den Überarbeitungen darauf dazuzulernen und besser zu werden.

Die Fantastik ist mein Obergenre (wobei ich nicht ausschließe, auch andere Texte zu schreiben – und auch schon geschrieben habe), in der ich mich gerne austobe.
Märchen und Dystopien sind beide ein Teil der Fantastik. Der Hauptunterschied für mich ist, ob meine Welt eher auf Magie oder Technik basiert. Zu den magischen Welten gehören auch meine Fantasy-Projekte (ja, da gibt es noch einige fertige Rohfassungen in meiner Schublade, spätestens Mitte 2023 will ich den ersten Fantasy-Roman veröffentlichen). Meine Sciencefiction-Romane und meine Dystopien enthalten mehr technische Elemente und so etwas wie Magie existiert nicht. Irgendwo dazwischen findest du meine Steampunk-Welten. Mal sind sie technischer, dann märchenhafter von der Atmosphäre. Außerdem würde ich gerne Steampunk mit einem Hauch Magie schreiben. Die Abstufungen zwischen Märchen | Fantasy (mit diversen Subgenres) | Steampunk | Sciencefiction & Dystopien lässt für mich den von außen scheinbar großen Sprung zu kleinen Schritten werden.

Bei mir kommen in der nächsten Zeit noch Ratgeber und Kinderbücher (auch quer durch die Fantastik) dazu. Die Ratgeber sind die größte Herausforderung, weil der Schreibstil ein völlig anderer ist. Bei Kinderbüchern bleibe ich in den Genres, die ich bereits schreibe und lerne vor allem einiges in Hinsicht »Altersgerechtes Schreiben« dazu. Ich bin gespannt, welche Themen, Genres und auch Textarten ich zukünftig noch ausprobieren werde. Mir macht es Spaß, Neues zu erkunden und dadurch weiteren Ideen zu begegnen. Zudem hoffe ich, so auch weiterhin viele unterschiedliche Leser:innen anzusprechen. Mich begeistert es, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind und wie vielfältig wir alle sind.
Bislang ist mein gemeinsamer Kern der meisten meiner Welten das Thema »folge deinen Träumen« (trotz Hindernissen) und ich merke, dass es viele anspricht – auch an den Rückmeldungen der Phönixpost (vielen Dank dafür!).

 

Kennst du das Gefühl, wenn du etwas Neues anfangen möchtest oder dich für ein Thema interessierst, dass dir selbst Zweifel kommen, ob du es schaffen kannst? Oder jemand mit Sprüchen kommt wie »Schuster bleib bei deinen Leisten« oder »das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe« – sprich »lass das, kannst du eh nicht« oder Ähnliches? Falls ja, dann schau lieber auf die Gemeinsamkeiten von dem, was du bereits kannst und dem, was du starten möchtest. Guck, welche Fähigkeiten, Denkweisen und Ideen du bereits mitbringst. Schau, was du bereits in deinem Leben erreicht hast. Und dann sag dir selbst: »Was ich will, wofür ich mich entscheide, das kann ich schaffen«.

Ich wurde häufig wegen des Quereinstiegs oder auch der Genremix verwundert angesehen. Aber weißt du was? Ich habe es trotzdem getan und würde es jederzeit wieder tun. Hör auf dich und dein Gefühl, nicht auf andere.

Ich wünsche dir, dass du auf deinem Weg deinen Träumen zu folgen, genauso viel Spaß hast wie ich beim Schreiben meiner Texte. Wer weiß, wohin uns unsere Träume noch führen.

Alles Liebe

Laura Kier



Laura Kier

»Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!« Mit diesen Worten in Gedanken, schafft Laura Kier magische, mystische und vielleicht auch gefährliche Welten voller Abenteuer, die Lichtfunken in dein Leben tragen können. Sie lädt mit ihren Texten Leser:innen ein, den eigenen Träumen zu folgen. Neben dem Schreiben genießt sie die Natur, liebt das Leben und ist vielfältig kreativ unterwegs, wenn ihre beiden verspielten Katzen es erlauben.

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