Unzählige Möglichkeiten, wie Sandkörner am Meer
Die Brandung trug Muschel um Muschel auf den Strand. Inzwischen war der Sand dicht bedeckt mit den zarten Gebilden. Dennoch führte die Meerjungfrau Mirjam ihr Flötenspiel fort. Mit geschlossenen Augen ließ sie die Töne in den Wind gleiten. Durch ihre Magie verwandelten sich die Klänge in Muscheln.
Nach einer Weile löste Mirjam die Flöte von ihrem Mund, worauf ihr Lied in der Nacht verhallte. Hatte sie es geschafft?
Laura Kier „Die Perlmuttschmetterlinge“
Was wäre, wenn nicht? Würde das Märchen dann beginnen oder enden? Stell dir vor, du wärst eine Meerjungfrau und wünschst dir nichts sehnlicher, als zu träumen. Was würdest du tun, um es zu erreichen?
Das Leben einer Muse
Was wäre wenn, du eine Muse bist und dein Traum ist es, nicht zu inspirieren, sondern selbst etwas zu erschaffen? Was tust du?
Fillith (aus „Die Muse und der Sorgendieb“) hat dazu zahlreiche Ideen. An erster Stelle würde sie ein Spiel spielen: „Was wäre wenn?“
- … die Autorin, der ich Ideen zuschiebe, meine Ideen untergräbt oder noch schlimmer, komplett anderes schreibt, als ich ihr empfehle? Dürfte ich die Idee dann selbst nutzen?
- … ich nicht darauf warte, dass die Autorin meinen Plotkaninchen folgt, sondern ich direkt selbst anfange, alles aufzuschreiben – könnte ich dann ohne mich an jemanden zu binden, überleben?
- … mein Leben als Muse gar nicht so vorherbestimmt ist, wie alle anderen Musen glauben. Wäre ich dann frei, mich zu entscheiden, was ich wirklich tun will?
Eine Frage nach der anderen formt sich in Filliths Kopf und aus den Fragen entstehen erste Antworten, mit denen sie weiter spielt.
Was wäre, wenn … dann …
- … ich meine Ideen selbst nutze. Dann könnte ich eigene Texte und Bilder erschaffen. Mir läge eine völlig neue Welt zu Füßen.
- … die Bindung an ein anderes Wesen ein Irrglauben unter uns Musen ist. Dann bräuchte ich mich nicht von einem anderen Wesen abhängig machen und könnte meinen eigenen Weg gehen.
- … ich wirklich selbst entscheide und herausgefunden habe, was ich möchte. Dann würde ich selbst zu einer Künstlerin und würde all die Eindrücke einfangen, die mich umgeben.
So wie Fillith gehe auch ich beim Schreiben vor. Aus einem kleinen Funken wird schnell das „Was wäre, wenn …“-Spiel, in dem ich Schritt für Schritt weiter gehe. Ich lasse mich inspirieren, folge den Lichtern, die den Weg vor mir erhellen. Manchmal drehe ich mich aber in die Dunkelheit, um dort nach völlig anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten.
Es ist nicht wichtig, woher die Ideen kommen. Aber ich muss sie festhalten. Nur zu schnell verfliegen sie und dann ärgere ich mich, wenn ich sie nicht wiederfinde.
Angst, den Schritt zu wagen
Ich weiß von vielen Autoren, die Probleme damit haben, eine Rohfassung zu Papier zu bringen. Lange Zeit ging es mir ähnlich. Zahlreiche Anfänge und Ideenfunken lagen in meinen Ordnern. Doch mittlerweile ist ein weißes Blatt kein Grund mehr für mich, zu verzweifeln. Viel wichtiger ist es die Geschichten zu erleben und die Charaktere zu wecken, damit sie mir erzählen, was für sie wichtig ist.
Genauso habe ich endlich meine Ängste vor dem Veröffentlichen überwunden und sechs Märchen das Leben geschenkt. Wenn ich sie nun ansehe, bin ich nicht nur stolz auf mich, sondern fühle mich motiviert, meinem Weg weiter zu folgen.
Wie ist es mit dir? Träumst du von etwas, was du dich nie getraut hast, anzufassen? Tue es! Versuch es wenigstens. Danach wirst du wissen, ob es dir liegt oder nicht. Genau wie Mirai (aus „Die Gewitterhexe und der Mondfuchs“). Sie kannte nur die Welt der Gewitter, bis sie einem Mondfuchs zur Hilfe eilte.
Auch Jack Frost musste erfahren, dass ein innerer Kampf ganz anders ausgehen kann, als er zunächst vermutet hätte.
Erschöpft lehnte Jack Frost sich zurück und schloss die Augen. Sian Morgenröte. Einst war sie eine schöne, starke Frau gewesen. Eine mächtige Gegnerin. Langsam ließ er die Luft durch seine Nase ausströmen. Sein Atem rasselte, alle Bewegungen schmerzten. Sein Ende war nah. Das spürte er deutlich. Selbst wenn ihm weitere Atemzüge zustanden, so fehlte ihm die Kraft, seine Flocken auf die Erde zu schicken. Mit jedem neuen Einatmen, versuchte er sich damit abzufinden und seine Niederlage zuzugeben.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
Laura Kier „Kirschen im Winter?“
Das ist es, was ich tue. Ich überwinde meine Ängste, folge meinen Träumen und spiele mit den Möglichkeiten, die ich habe.
In meinem nächsten Beitrag lade ich dich dazu ein, mich auf dem Weg ein Stück weit zu begleiten.
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